21. Februar 2018

Die Systematik der Dinosaurier gerät aus den Fugen



Vor der Jahrtausendwende gab es einige klare Kennzeichen, die einen Dinosaurier von anderen Urzeittieren abhob. David Norman hatte diese in den 90er Jahren grob umrissen:
  1. Dinosaurier lebten nur während des Mesozoikums.
  2. Dinosaurier waren Reptilien.
  3. Alle Dinosaurier lebten auf dem Land.
  4. Die Dinosaurier liefen aufrecht auf säulenförmigen Beinen.
Inzwischen sind aber so viele neuen Erkenntnisse im Bereich der Dinosaurierforschung hinzugekommen, dass diese klare Strukturierung vollkommen hinfällig ist.

Später wurden dann neue Unterscheidungsmerkmale aufgeführt, die für Dinosaurier charakteristisch waren, die wiedrum grob zusammengefasst lauten:
  1. Eine Einbuchtung am Schädel, an der starke Beißmuskeln ansetzen.
  2. Eine Art Knochenkamm am Oberarm, ebenfalls als Ansatzfläche für Muskeln.
  3. Epipophysen (kleine knöcherne Auswüchse) an den Halswirbeln.
  4. Oben am Oberschenkel ein Rollhügel als weitere Ansatzfläche für Muskeln.
  5. Ein Loch in der Hüftpfanne, an dem der Oberschenkelknochen im Becken sitzt.
Mit dem Fund des Teleocrater im Jahr 2015 haben sich aber auch diese Charaktereigenschaften wieder in Luft aufgelöst. Teleocrater stand zeitlich gesehen am Scheideweg der Dinosaurier und ihrer Verwandten und wird einer Schwesterngruppe der Dinosaurier zugeordnet. Ihm konnten zwar die ersten vier der oben genannten Kennzeichen eines Dinsoauriers nachgewiesen werden, doch besaß er dort, wo bei den Dinosauriern ein Loch in der Hüftpfanne war, lediglich eine Delle. Dieses Kennzeichen verhinderte die Zuordnung in die Gruppe der Dinosaurier.

Stephen Brusatte von der Universität von Edinburgh resümiert daher: "Damals [Anm.: zu Owens Zeiten] gab es so wenige Dinosaurier. Aber je mehr Fossilien man findet, desto komplizierter werden die Muster. Mit jeder neuen Entdeckung erhältst du einen anderen Blick darauf, welche Eigenschaften einen Dinosaurier definieren. Es ist bei weitem nicht so klar wie früher."

Früher glaubten die Forscher auch, dass die Dinosaurier irgendeinen Vorteil gegenüber den mit ihnen verwandten Gruppen hatten, der ihnen half, das Massensterben am Ende der Trias zu überleben und ihnen somit die Herrschaft über die Erde zu ermöglichen.

Inzwischen haben die die Forscher aber erkannt, dass auch in den verwandten Gruppen ähnliche Entwicklungen stattgefunden haben wie bei den Dinosauriern: So wurden u.a. die Beine länger und ordneten sich direkt unter dem Körper an.

Dass die Dinosaurier im Jura dann zur herrschenden Tiergruppe wurde, lag vermutlich daran, dass sie schneller als andere Tiergruppen die nach dem Massensterben frei gewordenen ökologischen Nischen wieder besetzten und sich dort breit machten.

Sterling Nesbitt von der Virginia Tech in Blacksburg meint, die Dinosaurier hätten im Grunde eigentlich gar nichts anders gemacht als ihre nächsten Verwandten. Warum also gerade die Dinosaurier das Massensterben überlebten und die Dinosaurier-Verwandten nicht, können die Forscher bislang nicht erklären.

Diese vielen neuen Erkenntnisse in der Dinosaurierforschung veranlasste im letzten Jahr eine Gruppe von Paläontologen um David Norman und Paul Barrett dazu, die bisherige Klassifizierung der Dinosaurier anzuzweifeln und eine neue Klassifizierung der Dinosauriergruppen vorzuschlagen, nach der die Theropoden näher den Ornithischiern zugeordnet und die Sauropoden als eigene Gruppe angesehen werden sollten. (vgl. Nachricht vom März 2017)

Eine andere Gruppe um Stephen Brusatte hatte jedoch Zweifel an dieser neuen Klassifizierung und überprüfte durch eigene Auswertung diverser Fossilien die Wahrscheinlichkeit dieser Neuausrichtung der Klassifizierung − eigentlich mit dem Ziel, diese ad absurdum zu führen.

Zur eigenen Überraschung stellte die Gruppe um Stephen Brusatte aber fest, dass sämtliche Stammbaum-Theorien gleich wahrscheinlich sind:

  • der traditionelle Stammbaum, nach der Sauropoden und Theropoden zur Gruppe der Saurischia und die Ornithopoden als eigenständige Gruppe übrig bleiben
  • er 2017 neu vorgeschlagene Stammbaum, nach der die Theropden und die Ornithischia zu den Ornithoscelida zusammengefasst werden und die Sauropoden als eigenständige Gruppe übrig bleiben
  • und auch ein schon fast vergessener noch älterer Stammbaum als der traditionelle, nach der sämtliche Pflanzenfresser in die Gruppe der Phytodinosauria eingeordnet werden und die Fleischfresser als eigenständige Gruppe übrig bleiben.
Somit scheinen die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte eine unerwartet große Komplexität eröffnet haben.

Stephen Brusatte meint daher: "Wir sollten die Lehrbücher noch nicht umschreiben. Aber wir haben das, was wir für eine Gewissheit hielten, in ein Mysterium verwandelt."

Früher waren die Paläontolgen der Ansicht, dass immer mehr Funde von früheren Dinosauriern und deren Verwandten auch zu einer immer detaillierteren Sicht auf die Evolution der Dinosaurier und einem immer besser geordneten Stammbaum beitragen würden.

Doch Sterling Nesbitt stellt aufgrund der neuesten Erkenntnisse fest: "Jetzt haben wir viel mehr Fossilien und es ist viel unordentlicher."



weitere Informationen unter:

  • ScienceNews (engl.):
    New fossils are redefining what makes a dinosaur



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