23. August 2018

Eorhynchochelys: Schildkröte ohne Panzer aber mit zahnlosem Schnabel weist auf Mosaik-Evolution hin



Im Südwesten Chinas, in der Provinz Hainan, haben Forscher die Überreste einer Ur-Schildkröte entdeckt, die zwar noch keinen Panzer ausgebildet hatte, dafür aber schon einen zahnlosen Schnabel. Sie war rund 2,50 Meter lang, lebte vor ca. 230 Millionen Jahren (Obertrias) und erhielt den Namen Eorhynchochelys sinensis (übersetzt etwa: "Schnabelschildkröte der Morgenröte aus China"), was ein Hinweis darauf sein soll, dass dies die bislang älteste bekannte Schildkröte mit einem Schnabel darstellt. Der Körper zeigte aber schon die für Schildkröten typsiche diskusartige Körperform mit breiten Rippen.

Früher wurden schon die Überreste anderer Ur-Schildkröten gefunden, und diese Funde deuten an, dass die Schildkröten keine stringente Entwicklung durchliefen, sondern eine nicht-lineare: So entwickelten sich einige Eigenschaften früher als andere, scheinen anschließend wieder verschwunden zu sein und sind später in der Evolution wieder aufgetaucht oder ganz weg geblieben. Dies wird mit dem Begriff "Mosaiktheorie" umschrieben.

Im Jahr 2015 wurden die Überreste einer rund 240 Millionen Jahre alten Schildkröte entdeckt, die den Namen Pappochelys (übersetzt "Großvaterschildkröte") erhielt, nur kompakte Bauchrippen und am Rücken T-förmige Rippen besaß, deren Panzer aber noch nicht vollständig ausgebildet war. Diese Schildkröte hatte noch keinen zahnlosen Schnabel, sondern Kiefern mit Zähnen. Der Schädel wies allerdings (zur Überraschung der Forscher damals) zwei Schädelöffnungen auf und deutete damit an, dass Schildkröten keineswegs wie bis dahin angenommen zu den Anapsida zählte, sondern den Diapsida zugerechnet werden mussten und somit enger mit den Dinosauriern verwandt waren, als vermutet. (vgl. Nachricht vom März 2015)

(Die Begriffe Anapsida und Diapsida beziehen sich auf die Schläfenöffnungen im Schädel, die bei der Einordnung von Tieren und deren Verwandtschaft zueinander eine große Rolle spielen. Nähere Informationen hier: Schädeltypen.)

Auch die Überreste eines schon im Jahr 1892 gefundenen Schildkröten-Vorfahren mit dem Namen Eunotosaurus zeigten einen platt gedrückten Körperbau wie Pappochelys, doch war dieses Urtier 20 Millionen Jahre älter als Pappochelys. Zum Zeitpunkt des Fundes schloss man aufgrund des ebenfalls vorhandenen diapsiden Schädels eine Verwandtschaft zu den Schildkröten aus, die durch den Fund von Pappochelys jedoch hergestellt werden konnte. (vgl. Nachricht vom Sept. 2015)

Im Gegensatz dazu hatte Eorhynchochelys, die vor 230 Millionen Jahren lebte und somit 10 Millionen Jahre jünger war als Pappochelys, die schon einen angedeuteten Panzer besaß, gar keinen Panzer, dafür aber einen Schnabel ohne Zähne und einen Schädel mit nur noch einem Schläfenfenster.

Im Jahr 2008 wurden die Überreste einer 220 Millionen Jahre alten Schildkröte entdeckt (also nochmals 10 Millionen Jahre jünger), die den Namen Odontochelys erhielt, schon einen Bauchpanzer, aber noch keinen Rückenpanzer ausgebildet hatte, kein Schädelfenster mehr besaß und wieder einen Kiefer mit Zähnen zeigte. (vgl. Nachricht vom Nov. 2008)

Die Schildkröten scheinen sich von einem diapsiden Vorfahren zurück zu einem angeblichen Anapsida entwickelt zu haben und gelten jetzt als "verdeckte Diapsida".

Wie bei den 240 und 220 Millionen Jahre alten Ur-Schildkröten (Pappochelys und Odontochelys) wurde auch bei Eorhynchochelys vermutet, dass sie im Wasser lebte, vermutlich mithilfe ihres langen Schwanzes durch flaches Gewässer paddelte und im seichten Wasser oder Schlamm nach Nahrung suchte.



weitere Informationen unter:

  • Bild der Wissenschaft:
    Erstaunliches "Halb-Schildkröten-Fossil"
  • Sueddeutsche:
    Schildkröten-Fossil verblüfft Forscher
  • nature (engl.):
    230-million-year-old turtle fossil deepens mystery of reptile's origins
  • Nature (Originalstudie - engl.):
    A Triassic stem turtle with an edentulous beak



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